Die Bedeutung des emotionalen Entwicklungsniveaus bei der psychiatrischen Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung

T. Sappok, C. Schade, H. Kaiser, A. Dosen, A. Diefenbacher
Einleitung: Menschen mit geistiger Behinderung erkranken 3- bis 4-mal häufiger an psychischen Störungen als die Allgemeinbevölkerung. Aus der Entwicklungsperspektive spielt dabei, neben hirnorganischen Veränderungen, auch die Persönlichkeitsentwicklung mit unterschiedlichen kognitiven und emotionalen Entwicklungsstadien eine Rolle. Diese Diskrepanz macht die Betroffenen für die Entstehung von Problemverhalten und psychischen Erkrankungen vulnerabel. Für einen angemessenen Einblick in die Prozesse, die zur Störungsentstehung beitragen, ist die Bestimmung des emotionalen Entwicklungsniveaus bedeutsam. Dies kann durch das von A. Dosen entwickelte „Schema der emotionalen Entwicklung” (SEO) bestimmt werden.
Methode: Anhand eines Fallbeispiels wird aufgezeigt, wie sich das Schema SEO anwenden und das Konzept der emotionalen Entwicklung in der klinischen Praxis umsetzen lässt.
Ergebnis: Die Kenntnis des Niveaus der emotionalen Entwicklung trägt zur Erklärung der Entstehung und zum Verständnis der psychischen Störung bei. Sie hilft bei der Bildung einer integrativen Diagnose und eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes. Dieser führt im dargestellten Fallbeispiel zu einer deutlichen Besserung der raptusartigen Erregungsdurchbrüche, einer Normalisierung des Schlafverhaltens und einer Besserung der Stimmung und der Affektlabilität.
Schlussfolgerung: In der differenzialdiagnostischen Abklärung und psychiatrischen Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Problemen sollten im Störungsbild neben biopsychosozialen auch Entwicklungsaspekte differenziert untersucht werden. Die mithilfe des SEO erhobenen Befunde können zum differenzierten Störungsverständnis und neuen therapeutischen Ansätzen beitragen.

Thieme eJournals – Abstract

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