Zum Einfluss von Bindungsmerkmalen auf Gegenübertragungsreaktionen

Helmut Kirchmann, Andrea Thomas, Elisabeth Brüderle, Bernhard Strauß
Zur Aufklärung der in der Literatur gefundenen Zusammenhänge zwischen Bindungsmustern von Psychotherapiepatienten vor der Behandlung und der Qualität der therapeutischen Beziehung wurden drei Tonband-Sequenzen aus Adult-Attachment-Interviews, die jeweils prototypisch eine sichere (autonomous), eine ambivalente (enmeshed) oder eine vermeidende (dismissive) Bindung repräsentierten, nach Zufall einer Stichprobe von N = 343 Medizinstudenten zugeordnet. Nach der Präsentation der Tonbandsequenzen wurden das emotionale Wohlbefinden der Probanden, ihre Einschätzung der Freundlichkeit der interviewten Person und ihre Bereitschaft, mit der Person in Kontakt zu treten, erhoben. Die Datenanalysen ergaben, dass Probanden, die den ambivalenten Tonbandausschnitt gehört hatten, die stärksten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens zeigten, wohingegen die Einschätzungen der Freundlichkeit sowie die Kontaktbereitschaft bei den Probanden mit vermeidender Darbietung am geringsten ausfielen. Interaktionseffekte zwischen den unterschiedlichen Tonbanddarbietungen und dem Bindungstyp der Probanden ergaben sich nicht. Die Studie repliziert die Ergebnisse von Martin et al. (2007), bei der das gleiche Gegenübertragungs-Reaktionsmuster an zwei Stichproben (Studierenden sowie Psychotherapie-Ausbildungskandidaten) gefunden wurde. Psychotherapeuten sollten sich bewusst sein, dass unterschiedliche Gegenübertragungsreaktionen auf so subtilen Bahnen wie der Erzählung der Patienten über ihre Beziehung zu den Eltern ausgelöst werden können. Die Kenntnis des Bindungsmusters ihrer Patienten kann für Psychotherapeuten hilfreich sein bei der Entwicklung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung.

PsyCONTENT – Zeitschriftenbeitrag

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